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A review by kroppzeugvertilger
On the Road by Jack Kerouac

1.0

Kerouacs "Klassiker" On the Road wurde mir vor dem Hintergrund empfohlen, einmal so etwas wie eine hedonistische Auszeit vom allgegenwärtigen politischen Superliberalismus zu nehmen. Als Rückbesinnung auf die eigenen vermeintlichen Triebe jenseits des Corona-Lockdowns quasi.

Das Problem: Auch wenn On the Road als Werk zu werten ist, welches die allseits bejubelte Beat Generation aus der Taufe hob, es ist entsetzlich schlecht gealtert. Ganz ehrlich, anno 2021 ist's mehr als leidlich, einer Gruppe Kerle beim Herumlungern, Herumsaufen und Herumhuren zuzuschauen. Nichts, was hier in den 50ern vermutlich noch irgend schockierend oder revolutionär im literarischen Kontext war, hat man nicht selbst auf die eine oder andere Weise schon erlebt. Im Gegenteil, Hedonismus, wie er hier beschrieben wird, ganz gleich auf welcher verzweifelten Lebensauffassung er fußen mag, gehört heuer zum identitätsstiftenden Selbstverständnis gleich mehrerer auf einander folgender Generationen unterschiedlichster sozialer Spektren.

Auch wenn ich behaupten will, dass meine Toleranzschwelle bei heutzutage als non-pc geltendem Vokabular innerhalb eines Werks der Weltliteratur (!) verhältnismäßig groß ist, stößt man bei Kerouac doch an die Grenze des Zumutbaren. Es gibt hier kaum offen zur Schau gestellten aggressiven Rassismus, aber wenn man auf einer Buchseite fast zehnmal das Wort >negro lesen muss, wird die Lektüre ganz schnell zum cringe act. (Ein durchaus erfreulicher Rückschluss daraus jedoch ist, dass die Diskussionen um Sag- und Unsagbarkeiten fruchten. Bei wem sich hier im 21. Jahrhundert kein negatives Gefühl einstellt, sollte dringlichst seine Auffassung moderner Menschenrechtsansprüche auf ein mögliches Upgrade abklopfen.)
Mit dem Frauenbild sieht's freilich nicht besser aus. Auch wenn sich die handelnden Figuren nur sporadisch als misogyn herausstellen, schwankt der allgemeine Grundtenor stets zwischen Chauvinismus und Pädophilie.

Aspekte wie Politik und Menschenrechte müssen bei der Bewertung eines Genre-definierenden Buches wie On the Road berücksichtigt werden. Das geht gar nicht anders. Immerhin wohnt diesen Werken die enorm große Macht der Prägung inne. Ob man diese Betrachtungen dann negativ in sein Resumé einfließen lässt oder nicht, soll dann jeder für sich entscheiden.

Mein Problem jedoch ist, dass Kerouacs Werk auch erzählerisch auf beinahe ganzer Linie entgeistert. Man kann es sich in etwa so vorstellen, wenn einem ein Freund berichtet, wie großartig der gestrige Abend im Club war; mit viel Güte kann man sich für den Freund freuen, eine zünftige Nacht verbracht zu haben. Für einen selbst bleibt die reine Darstellung allerdings fade, beliebig, ohne emotionale Reaktion - man war eben nicht dabei. Und genau diese Unbetroffenheit beherrscht das Buch fundamental. Es interessiert mich einen Scheiß, was Kerouac (ja, On the Road ist mehr Teil-Autobiografie als Autofiktion) damals gemacht hat, ganz ehrlich.

Interessanterweise beschränken sich die wenigen Lichtblicke einmal mehr (gleiches Phänomen vor einigen Jahren bei So weit die Füße tragen) auf die eigentlichen, aber freilich eher spärlichen Momente unterwegs, wenn schräge Figuren und - wie zum Schluss - andere Länder (in dem Fall Mexiko) besucht und verarbeitet werden. Alles dazwischen gerät hingegen schnell zur Qual.

Deshalb ein klares Fazit: Wer ein paar postpubertären Bengels beim Zechen beiwohnen möchte, der solle doch lieber zu Thompsons Fear and Loathing in Las Vegas greifen. Ziemlich ähnliches Setting, ziemlich gleiche Thematik (bla bla, amerikanischer Traum, bla bla, geh' mir nich' auf den Pin!), aber eben um Klassen unterhaltsamer.