Scan barcode
A review by kroppzeugvertilger
The Conspiracy Against the Human Race: A Contrivance of Horror by Thomas Ligotti
2.0
Das große Versprechen ....
Als durchaus pessimistischer Mensch hatte ich irgendwie trotzdem nicht unbedingt klar, dass es Literatur oder gar philosophische Strömungen gibt, die sich mit der Frage nach der Notwendigkeit menschlicher Existenz an sich beschäftigen. Nietzsche war bis heute mein großer Mentor in Sachen Skeptizismus. Und Bernhard lieferte die passende Sozialpersiflage dazu. Man lernt eben nie aus, blabla...
Ligotti orientiert sich vorrangig an Peter Wessel Zapffe - einem norwegischen Philosophen und Bergsteiger (...), welcher mir bis dato kein Begriff war - und Schopenhauers (wohl eher metaphysischen) Pessimismus. So grob.
Konzeptionell ist das großartig! Endlich hat jemand Mumm genug, mit weiser Brechstange das Siegel unseres ethischen Selbstverständnisses aufzubrechen ...! Ein großes, allzu großes Konzept, das literarisch vielleicht nur scheitern kann oder muss.
Nun ist Ligotti ursprünglich Autor von Horrorliteratur. Und er liebt Lovecraft. Deshalb denke ich, dass ein anderer Goodreads-Hobbykritiker durchaus recht hat, wenn er Ligotti eines gewissen Kopismus bezichtigt. Das Faszinierende - bei Ligotti - ist jedoch: er überträgt Lovecraft'sche Formeln in einen Sachtext. Mittels sowohl antiquierter wie auch schlicht origineller Wörter und Beschreibungen.
Auf diesen Materialien fußend, entwickelt Ligotti ein Konzept absoluter Lebensablehnung. Eine utopische Idee der Negierung jedweder Existenz. Ob er dabei einen grundsätzlichen Unterschied zwischen dem in sich unschlüssigen Menschen und aller restlichen Flora und Fauna macht, bleibt ungewiss. Wir, das und dort sind halt universeller Zufall. Huch.
Und während Ligotti seitenweise schwadroniert, fabuliert und manchmal auch schlicht sülzt, fragte ich mich ...
... ja, weshalb er nicht im Ansatz eine ethische Auseinandersetzung wagt!
Die interessante Grundidee, dass das menschliche Bewusstsein als hauptsächliches Unterscheidungsmerkmal zu anderen Lebewesen (soweit wir das wissenschaftlich nachweisen können, wohlgemerkt) die Grundlage unseres Leids und somit - äh - die de facto Wurzel allen Übels ist, birgt auf Grund seiner Logik kaum Neuerung. Abschaffenswert, abstrus und abartig sind wir. Ligotti stellt universelle Fragen allerdings in keinen irdischen Kontext. Und das dient halt keinem Zweck, außer dem, dass der Autor fröhlich herumschwafeln kann.
Was ich mir von Ligotti erhofft hatte, war eine Perspektive, wie man mit ethisch unliebsamen Themen umgeht. Kann man Menschenfeind und trotzdem Humanist sein? Hat Geburtenkontrolle eventuell (doch) ihre holistischen Vorteile? Warum kommt Suizid juristisch einem Mordversuch gleich? Wie steht's mit Euthanasie? Abtreibung? Freiwilliger Kinderlosigkeit? Das sind Fragen, die uns im Angesicht multipler Katastrophen in eher näherer denn ferner Zukunft beschäftigen sollten. Nicht irgendein hanebüchener Firlefanz über das Urübel Bewusstsein. Alles, was auch nur ansatzweise wichtig scheint, spart Ligotti beinahe komplett aus. Das ethische Dilemma, das gesellschaftliche Dilemma, das persönliche Dilemma ... Eigentlich blendet er alles aus, was den Menschen als Spezies auszeichnet. Das macht diese Schrift philosophisch nicht weniger wahr - oder so. Es macht sie aber erheblich unbedeutender als sie sein könnte. Man kann die Menschheit nicht von ihrem Selbsterhaltungstrieb trennen - und das ist die Kultur. So abgeschmackt, blödsinnig, boshaft, lächerlich oder heuchlerisch sie auch sein mag.
Und hierin liegt auch mein tiefer Zweifel an der Absicht dieses Buches: Es könnte durchaus sein, dass dieser über weite Strecken schwer genießbare Batzen Utopie als Allegorie auf den schleichenden Horror selbst gedacht wurde. Das Unvorstellbare; die absolute Zweck-, Sinn- und Grundlosigkeit der menschlichen und ergo der eigenen Existenz auszuschlachten, um eben einen perfekten Schrecken zu kreieren: Beklemmung, Bedrohung, Hilflosigkeit ob aller Sinnlosigkeit als ins reale Leben übertragbare Perspektive. Eine Anleitung zur Selbstzerstörung? Sicherlich nicht. Ein Ansatz, darüber nachzudenken? Durchaus.
The Conspiracy Against The Human Race ist zweifelsohne ein inspirierendes Buch, das steht außer Frage. Gut (oder gut lesbar) ist es hingegen nicht. Faszination und eine misanthropische und/oder nihilistische Rührung bleiben aber hängen. Und darum bin ich beinahe dankbar für die Lektüre ...
PS: Ligotti's durch und durch arrogante Blaspheme, alle Verachtung, die er insbesondere den etablierten christlichen Religionen entgegenbringt, konnten mich natürlich in gotteslästerliches Entzücken versetzen. 2,5% ganz, ganz große Polemik!
Als durchaus pessimistischer Mensch hatte ich irgendwie trotzdem nicht unbedingt klar, dass es Literatur oder gar philosophische Strömungen gibt, die sich mit der Frage nach der Notwendigkeit menschlicher Existenz an sich beschäftigen. Nietzsche war bis heute mein großer Mentor in Sachen Skeptizismus. Und Bernhard lieferte die passende Sozialpersiflage dazu. Man lernt eben nie aus, blabla...
Ligotti orientiert sich vorrangig an Peter Wessel Zapffe - einem norwegischen Philosophen und Bergsteiger (...), welcher mir bis dato kein Begriff war - und Schopenhauers (wohl eher metaphysischen) Pessimismus. So grob.
Konzeptionell ist das großartig! Endlich hat jemand Mumm genug, mit weiser Brechstange das Siegel unseres ethischen Selbstverständnisses aufzubrechen ...! Ein großes, allzu großes Konzept, das literarisch vielleicht nur scheitern kann oder muss.
Nun ist Ligotti ursprünglich Autor von Horrorliteratur. Und er liebt Lovecraft. Deshalb denke ich, dass ein anderer Goodreads-Hobbykritiker durchaus recht hat, wenn er Ligotti eines gewissen Kopismus bezichtigt. Das Faszinierende - bei Ligotti - ist jedoch: er überträgt Lovecraft'sche Formeln in einen Sachtext. Mittels sowohl antiquierter wie auch schlicht origineller Wörter und Beschreibungen.
Auf diesen Materialien fußend, entwickelt Ligotti ein Konzept absoluter Lebensablehnung. Eine utopische Idee der Negierung jedweder Existenz. Ob er dabei einen grundsätzlichen Unterschied zwischen dem in sich unschlüssigen Menschen und aller restlichen Flora und Fauna macht, bleibt ungewiss. Wir, das und dort sind halt universeller Zufall. Huch.
Und während Ligotti seitenweise schwadroniert, fabuliert und manchmal auch schlicht sülzt, fragte ich mich ...
... ja, weshalb er nicht im Ansatz eine ethische Auseinandersetzung wagt!
Die interessante Grundidee, dass das menschliche Bewusstsein als hauptsächliches Unterscheidungsmerkmal zu anderen Lebewesen (soweit wir das wissenschaftlich nachweisen können, wohlgemerkt) die Grundlage unseres Leids und somit - äh - die de facto Wurzel allen Übels ist, birgt auf Grund seiner Logik kaum Neuerung. Abschaffenswert, abstrus und abartig sind wir. Ligotti stellt universelle Fragen allerdings in keinen irdischen Kontext. Und das dient halt keinem Zweck, außer dem, dass der Autor fröhlich herumschwafeln kann.
Was ich mir von Ligotti erhofft hatte, war eine Perspektive, wie man mit ethisch unliebsamen Themen umgeht. Kann man Menschenfeind und trotzdem Humanist sein? Hat Geburtenkontrolle eventuell (doch) ihre holistischen Vorteile? Warum kommt Suizid juristisch einem Mordversuch gleich? Wie steht's mit Euthanasie? Abtreibung? Freiwilliger Kinderlosigkeit? Das sind Fragen, die uns im Angesicht multipler Katastrophen in eher näherer denn ferner Zukunft beschäftigen sollten. Nicht irgendein hanebüchener Firlefanz über das Urübel Bewusstsein. Alles, was auch nur ansatzweise wichtig scheint, spart Ligotti beinahe komplett aus. Das ethische Dilemma, das gesellschaftliche Dilemma, das persönliche Dilemma ... Eigentlich blendet er alles aus, was den Menschen als Spezies auszeichnet. Das macht diese Schrift philosophisch nicht weniger wahr - oder so. Es macht sie aber erheblich unbedeutender als sie sein könnte. Man kann die Menschheit nicht von ihrem Selbsterhaltungstrieb trennen - und das ist die Kultur. So abgeschmackt, blödsinnig, boshaft, lächerlich oder heuchlerisch sie auch sein mag.
Und hierin liegt auch mein tiefer Zweifel an der Absicht dieses Buches: Es könnte durchaus sein, dass dieser über weite Strecken schwer genießbare Batzen Utopie als Allegorie auf den schleichenden Horror selbst gedacht wurde. Das Unvorstellbare; die absolute Zweck-, Sinn- und Grundlosigkeit der menschlichen und ergo der eigenen Existenz auszuschlachten, um eben einen perfekten Schrecken zu kreieren: Beklemmung, Bedrohung, Hilflosigkeit ob aller Sinnlosigkeit als ins reale Leben übertragbare Perspektive. Eine Anleitung zur Selbstzerstörung? Sicherlich nicht. Ein Ansatz, darüber nachzudenken? Durchaus.
The Conspiracy Against The Human Race ist zweifelsohne ein inspirierendes Buch, das steht außer Frage. Gut (oder gut lesbar) ist es hingegen nicht. Faszination und eine misanthropische und/oder nihilistische Rührung bleiben aber hängen. Und darum bin ich beinahe dankbar für die Lektüre ...
PS: Ligotti's durch und durch arrogante Blaspheme, alle Verachtung, die er insbesondere den etablierten christlichen Religionen entgegenbringt, konnten mich natürlich in gotteslästerliches Entzücken versetzen. 2,5% ganz, ganz große Polemik!