A review by kroppzeugvertilger
The Bell Jar by Sylvia Plath

2.0

Es ist der 25. März 2021. 1 Uhr 28 und 44 Sekunden. Morgens. 21 Tage sind vergangen, seit ich "The Bell Jar" auslas. 21 Tage, in denen ich's habe sacken lassen, quasi versuchte, irgendwelche Meta-Wirkkräfte zu beschwören ... Alles nutzlos.

Ich kann zumindest - mit recht beherzter Überzeugung - behaupten, dass ich Plath's einzigen Roman nicht nur zur falschen Zeit, sondern auch in falscher Verfassung, edgy formuliert: sogar als falsche Person gelesen habe.

Kommentar Teil 1: Depressionen
Depressionen sind, wenn auch westlich-globale Volkskrankheit, in sich gänzlich individuelle Phänomene. Gründe, Ursprünge und Symptome variieren ebenso stark wie eventuelle Folgen. (Da ich kein Psychologe bin, spare ich an dieser Stelle gerne aus, was wirkliche Psychoanalytiker - wissenschaftlich fundiert - besser erklären können (sollten)).
Plath's autobiographische Exkurse in die eigene Depression haben mich entweder massiv gelangweilt oder aber beinahe angewidert. - Nicht, weil ich das, was ich las, albern oder kindisch fand. Sondern, weil mir die Lektüre - gewissermaßen - (Obacht! Grausige Redewendung ahead!) einen Spiegel vorhielt. Das Buch als objektiver Betrachter des Lesers. Irre! In der Unerträglichkeit der Ich-Erzählerin erkennt man die Unerträglichkeit seiner selbst, wie sie womöglich von Nahestehenden wahrgenommen wird. Das ist famose literarische Kraft - die hier aber nur rudimentär durchsickert.

Kommentar Teil 2: Feminismus
Inwiefern The Bell Jar für die feministische Bewegung wirkmächtig gewesen ist, kann ich nicht beurteilen. Natürlich fehlt mir hier einerseits das gesellschafts- und kulturpolitische Fachwissen, ganz klar. Andererseits - und hierzu kann ich zumindest eine Beurteilung abgeben - kann ich's mir aber auch nicht recht erklären, wie es hätte können. Für meine Lesart wurden hier zwei Komplexe parallel verarbeitet: einerseits die Kritik am Patriarchat, andererseits die eigenen Depressionen. Dass beide Komplexe unmittelbar miteinander zusammenhängen, wird vielleicht rein sachlich angedeutet, ist jedoch erzählerisch ziemlich lausig umgesetzt, da kaum Zusammenhänge gebildet werden. Und wo - durchaus herleitbare - Zusammenhänge ausgespart werden, bleibt letztlich wirklich nur autobiografischer Egozentrikfirlefanz als Motiv. Und Egozentrik ist immer schlimm, das weiß doch jedes Kind ...

Wie gehabt Teil 1: Wirkkraft
Ich bin ein Sohn solcher Väter, die das Schreiben eines solchen Buches notwendig machten. Hier, wie auch zu allen anderen gesellschafts- oder auch weltumspannenden Themen, kann (oder will) ich keine finale Position beziehen. Dafür ist The Bell Jar a) schlicht zu autobiografisch und b) zu allumfassend repräsentativ für die Folgen einer historischen Objektifikation der Frau. (Allein letztere Formulierung ist objektivierend, daher sind die tagesaktuellen Debatten um Authentizitätshoheiten vielleicht gar nicht mal so unsinnig ...)

Wie gehabt Teil 2: Stil
Man merkt halt, dass Plath vorrangig Lyrikerin war. Es gibt eine Handvoll zum Niederknien toller Momente wie "Inertia oozed like molasses through Elaine's limbs." oder epische Idealismen wie "Instead of the world being divided up into Catholics and Protestants, or Republicans and Democrats, or white men and black men, or even men and women, I saw the world divided into people who had slept with somebody and people who hadn't; and this seemed the only really significant difference between one person and another." (ganz gewiss das Totschlagzitat für eine postmoderne Rezeption). Aber darüber hinaus bleibt wirklich nicht viel Erwähnenswertes. Leider.

Während der Lektüre wurde ich oftmals zornig. Auf Sylvia Plath, selbstredend. Nicht unbedingt wegen ihrer - zumindest von mir so empfundenen - erzählerischen Unzulänglichkeiten. Wohl aber, weil das Motiv klar und die literarische Qualität spürbar waren. Es ist fast so, als wäre das Buch an sich selbst gescheitert. Es konnte gar nicht anders. Ein Roman opfert sich selbst - märtyrerhaft - für alle anderen, die folgen ... Gesellschaftspolitisches Kamikaze in Buchform. Kein unschöner Gedanke eigentlich.

25. März 2021, 2 Uhr 44 und 9 Sekunden