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A review by the_readingfox
The Bone Season by Samantha Shannon
adventurous
dark
mysterious
slow-paced
- Plot- or character-driven? A mix
- Strong character development? Yes
- Loveable characters? Yes
- Flaws of characters a main focus? Yes
5.0
Kaum ein Buch konnte mich in den letzten Jahren so fesseln und begeistern wie TBS: Spannung, Atmosphäre & eine großartige Protagonistin
Herzensbuch ♥
London, 2059. Die Bevölkerung ist unterteilt in zwei Klassen: Amaurotiker (ganz normale Menschen) und Unnaturals. Die Regierung bezeichnet sie aufgrund ihrer seherischen Fähigkeiten als Widernatürliche und verdammt sie zu einem Leben im Verborgenen, denn sollten die Seher:innen geschnappt werden, erwartet sie die Hinrichtung. Auch die 19-jährige Paige Mahoney ist eine "Unnatural", und hat in der Gang Seven Seals unter Führung von Jaxon Hall vorerst einen sicheren Hafen gefunden. Bisher blieb die Gruppe unentdeckt, doch dann gerät Paige in eine Kontrolle und ist gezwungen ihre Fähigkeiten gegen einen Außenstehenden einzusetzen. Zunächst gelingt es ihr zu fliehen, doch schließlich wird sie gefasst, unter Drogen gesetzt und als Gefangene nach Oxford gebracht, das als eine Art Residenz für eine übernatürliche Spezies - die Rephaim - dient. Dort muss sie, um ihre Freiheit wieder zu erlangen, gute Miene zu bösem Spiel machen.
Not all of us know what we are. Some of us die without ever knowing. Some of us know, and we never get caught. But we´re out there. Trust me. (p.1)
Der Auftakt zu Samantha Shannons Debüt-Reihe beginnt mit einer Portion spannender Action - von Anfang an bin ich sofort ein Teil der Geschichte, ein Teil der Welt, in der Paige aufgewachsen ist. Jedoch fühlte ich mich im ersten Moment von der komplexen Struktur der Klassifikation der unterschiedlichen Seher und ihrer Fähigkeiten ein wenig erschlagen und brauchte einen Moment, mich in diesem System zurechtzufinden. Jaxon, was hast du mir mit deinem Pamphlet da nur zugemutet!
Nachdem die anfänglichen Startschwierigkeiten überwunden waren, konnte ich Stück für Stück mehr in diese faszinierende Welt eintauchen, in der die letzten 200 Jahre der Menschheitsgeschichte, wie wir sie kennen, umgeschrieben wurden. Shannon lässt die Informationen zur Entstehung dieser neuen, einzigartigen Gesellschaft nebenbei in den Text einfließen. Das, und ihr flüssiger, liebevoller und detailreicher Schreibstil hat das Lesen unglaublich angenehm und aufregend gemacht. Ich mochte die Art, wie die Autorin wichtige Details und auch Rückblenden in Paiges Vergangenheit mühelos eingebaut hat, ohne dass der Lesefluss im Geringsten gestört wurde.
"We are intrigued by your aura. Tell me: what are you?" - "A cipher", I said. (p. 55)
Aber nicht nur das Worldbuilding, sondern auch Paige konnte mich vollends überzeugen, denn sie ist eine wundervolle Protagonistin: Sie ist charakterstark, klug und unglaublich tough. Das Leben im Londoner Syndikat und die Erfahrung in einer Gesellschaft zu überleben, in der man sich ständig verstecken und verstellen muss, gewährt ihr einen ungeheuren Vorteil in der Kolonie gegenüber den anderen Seher:innen als auch den Wächter:innen. Paige ist kampferfahren und nicht auf den Mund gefallen - auch wenn 'mit der Tür ins Haus fallen' sich nicht immer als beste Strategie erweist.
Warum ich Paige jedoch am meisten bewundere und warum ich sie als literarische Figur so sehr liebe, ist ihre Fähigkeit zur Selbstreflexion. Wo andere Charaktere des Genres den Blick stur nach vorne richten und Schicksalsschläge oft mit einem Schulturzucken wegstecken, schaut Paige zurück: Sie reflektiert sich selbst, ihre Emotionen und ihre Handlungen. Sie lernt aus ihren Fehlern und macht es direkt beim nächsten Mal ... auf eine andere Art und Weise. Gleichzeitig ist Paige auch eine ganz normale junge Frau, die vor den Problemen des Erwachsenwerdens steht: Die erste Liebe und der bittersüße Schmerz, wenn sie nicht erwidert wird. Die Last der Verantwortung, die mit dem eigenen Handeln kommt. Shannon hat es geschafft, eine gute Balance zwischen Kämpferin und junger Erwachsenen zu halten. Ich konnte während des Lesen erleben, wie Paige sich verändert, neue Erfahrungen macht, dazu lernt und sich charakterlich weiter entwickelt.
'Normal' and 'unnatural' were the biggest lies we'd ever created. We humans with our little minds. And maybe being normal wouldn't suit me. (p. 327)
Der Schlagabtausch zwischen Paige und ihrem Wächter Arcturus, war an sehr vielen Stellen herrlich ruppig und amüsant, aber auch sehr philosophisch und tiefgründig. Es war interessant und spannend, zu erleben, wie sich die Beziehung zwischen den beiden im Laufe der Geschichte verändert hat. Wie in einem kleinen Modell der großen Revolution treffen zwischen Paige und Arcturus die verschiedenen Interessen, Meinungen und Vorstellungen der Menschen und Rephaim aufeinander. Verbündete werden zu Feinden, und Feinde zu Verbündeten. Das einzige Manko: Paiges Beziehung zu ihren Freunden und Verbündeten Liz und Julian kam leider viel zu kurz.