Take a photo of a barcode or cover
A review by kroppzeugvertilger
Die Liebe in den Zeiten der Cholera by Gabriel García Márquez
4.0
Ach ja, die Liebe. Die naive, romantische, erhabene Liebe. Da war ja mal was ... Die chemische Reaktion, der Zustand selbst, heuer herablassend als hollywood'sches Retortenprodukt verklärt oder als effizienzhemmender Ballast verschmäht, gewinnt bei Márquez so etwas wie eine alte Tugendhaftigkeit zurück.
Aus Sicht der 2010er Jahre gelesen, erlebt die Liebe bei Die Liebe in den Zeiten der Cholera auf intelligente Weise eine Art Revival, wird sie doch sowohl inhaltlich als auch auf der Metaebene bis zur Erschöpfung feilgeboten. Auf für moderne Literatur ungeheuer poetische Art, werden zwei Lebensgeschichten erzählt, die vielen gängigen Klischees (Reichtum, Edelmut, Rechtschaffenheit, etc.) entsprechen, in ihrer psychologischen Tiefe aber überaus bezaubernd sind. Über 60 Jahre lang erlebt man die emotionalen Eckdaten eines hoffnungslosen Paares mit, irgendwo zwischen der makabren Sachlichkeit der Pest und der schmeichelnden Hinterfotzigkeit der Industrialisierung. Dies Geschieht mit einem beinahe kecken Maß an Ausgewogenheit zwischen (nahezu philosophischer) Tiefe und (beinahe derbem) Humor, dass es eine wahre Freude ist. Das nicht notwendigerweise vorhersehbare Happy End kommt sodann derart leichtfüßig daher, dass schon seine Trotzigkeit, dem sich allmählich dezimierenden Zeitgeist der Moderne nicht entsprechen zu wollen, ein illusionistisches Fest ist.
Wie Márquez gen Ende mehrere Lanzen für eine Liebe im Alter bricht, ist dann nur noch rührend - und irgendwie wirklich schön. Und so transportiert Die Liebe in den Zeiten der Cholera jede Menge eines klassisch verankerten, zum Teil konservativen Beziehungsbildes, vermag jedoch die Perversitäten so präzise zu platzieren, dass schlussendlich doch die Hoffnung obsiegt.
Die Liebe in den Zeiten der Cholera ist ein famoses Stück moderner Literatur. Es hat Längen, die aufgrund der poetischen Dichte ohne Weiteres hätten ausgespart werden können. Dennoch liegt hier zweifelsfrei ein Unikum der gehobenen Retroromantik vor. Toll!
---
• Dem Zisternenwasser wurde lange Zeit und durchaus mit Stolz der Hodenbruch zugeschrieben, den viele Männer der Stadt nicht nur ohne Scham, sondern gar mit so etwas wie patriotischer Unverfrorenheit herumtrugen.
• Er hielt das alles nicht wie im Fall der Glatze für einen hinterlistigen Paukenschlag des Alters, weil er davon überzeugt war, daß trotz des vom vulkanisierten Kautschuk säuerlichen Atems seine Erscheinung insgesamt mit einem orthopädischen Lächeln sauberer wirken würde. So lieferte er sich ohne Widerstand den rotglühenden Zangen Doktor Adonay aus und ertrug die Rekonvaleszenzzeit mit dem Stoizismus eines Lastesels.
• Nachts wurden die beiden nicht vom Sirenengesang der Seekühe auf den Sandbänken, sondern vom widerlichen Gestank der Toten geweckt, die dem Meer entgegentrieben. Es gab zwar keine Kriege mehr und keine Pest, doch man sah immer noch die aufgedunsenen Leichen vorbeitreiben. Der Kapitän erläuterte ungewohnt nüchtern: 'Wir haben Anweisung, den Passagieren zu sagen, dass es sich um zufällig ertrunkene handelt.' An Stelle des Papageiengekreischs und des Lärms der unsichtbaren Affen, die einst die Mittagsglut noch anzufachen schienen, herrschte jetzt das ausgedehnte Schweigen der geschleiften Erde
Aus Sicht der 2010er Jahre gelesen, erlebt die Liebe bei Die Liebe in den Zeiten der Cholera auf intelligente Weise eine Art Revival, wird sie doch sowohl inhaltlich als auch auf der Metaebene bis zur Erschöpfung feilgeboten. Auf für moderne Literatur ungeheuer poetische Art, werden zwei Lebensgeschichten erzählt, die vielen gängigen Klischees (Reichtum, Edelmut, Rechtschaffenheit, etc.) entsprechen, in ihrer psychologischen Tiefe aber überaus bezaubernd sind. Über 60 Jahre lang erlebt man die emotionalen Eckdaten eines hoffnungslosen Paares mit, irgendwo zwischen der makabren Sachlichkeit der Pest und der schmeichelnden Hinterfotzigkeit der Industrialisierung. Dies Geschieht mit einem beinahe kecken Maß an Ausgewogenheit zwischen (nahezu philosophischer) Tiefe und (beinahe derbem) Humor, dass es eine wahre Freude ist. Das nicht notwendigerweise vorhersehbare Happy End kommt sodann derart leichtfüßig daher, dass schon seine Trotzigkeit, dem sich allmählich dezimierenden Zeitgeist der Moderne nicht entsprechen zu wollen, ein illusionistisches Fest ist.
Wie Márquez gen Ende mehrere Lanzen für eine Liebe im Alter bricht, ist dann nur noch rührend - und irgendwie wirklich schön. Und so transportiert Die Liebe in den Zeiten der Cholera jede Menge eines klassisch verankerten, zum Teil konservativen Beziehungsbildes, vermag jedoch die Perversitäten so präzise zu platzieren, dass schlussendlich doch die Hoffnung obsiegt.
Die Liebe in den Zeiten der Cholera ist ein famoses Stück moderner Literatur. Es hat Längen, die aufgrund der poetischen Dichte ohne Weiteres hätten ausgespart werden können. Dennoch liegt hier zweifelsfrei ein Unikum der gehobenen Retroromantik vor. Toll!
---
• Dem Zisternenwasser wurde lange Zeit und durchaus mit Stolz der Hodenbruch zugeschrieben, den viele Männer der Stadt nicht nur ohne Scham, sondern gar mit so etwas wie patriotischer Unverfrorenheit herumtrugen.
• Er hielt das alles nicht wie im Fall der Glatze für einen hinterlistigen Paukenschlag des Alters, weil er davon überzeugt war, daß trotz des vom vulkanisierten Kautschuk säuerlichen Atems seine Erscheinung insgesamt mit einem orthopädischen Lächeln sauberer wirken würde. So lieferte er sich ohne Widerstand den rotglühenden Zangen Doktor Adonay aus und ertrug die Rekonvaleszenzzeit mit dem Stoizismus eines Lastesels.
• Nachts wurden die beiden nicht vom Sirenengesang der Seekühe auf den Sandbänken, sondern vom widerlichen Gestank der Toten geweckt, die dem Meer entgegentrieben. Es gab zwar keine Kriege mehr und keine Pest, doch man sah immer noch die aufgedunsenen Leichen vorbeitreiben. Der Kapitän erläuterte ungewohnt nüchtern: 'Wir haben Anweisung, den Passagieren zu sagen, dass es sich um zufällig ertrunkene handelt.' An Stelle des Papageiengekreischs und des Lärms der unsichtbaren Affen, die einst die Mittagsglut noch anzufachen schienen, herrschte jetzt das ausgedehnte Schweigen der geschleiften Erde