A review by kroppzeugvertilger
Black Metal Media 1992 - 1994 by Hermann. C

5.0

Die Zeit, in welcher wir leben, erlaubt einerseits wenig Ruhe, andererseits lockt sie mit oberflächlichen Nostalgie-Albernheiten. Was des Großvaters Erinnerung an die erste und meist auch einzige Holzeisenbahn war, ist uns heute die Zuversicht, dass ein Großteil unserer Prägung irgendwie und irgendwo gespeichert wurde. Musik wurde durchdigitalisiert, Videospiele werden hochkompatibilisiert.

Im Moloch der sich verflüssigenden Lebenszeit suchen wir nach Methoden, Mitteln und Dingen, die uns mit unserer Jugend und Kindheit konfrontieren. Nicht, weil diese sonderlich großartig waren, sondern, weil in der Retrospektive alles halb so schlimm ist und der Beruhigungseffekt die Realität übermannt. Immer.

Als jemand, der erst kurz nach den Feuern und Morden in Norwegen Anfang der 90er tief und eben tiefer in das einstieg, was mir heuer als Persönlichkeit prägend gewiss ist, bin ich freilich stets zwiegespalten: a) sorgt jedwede Ausschlachtung einer subkulturellen Epoche immer auch für eine etwaige Demystifikation, andererseits b) suche ich ja ebenfalls allumfassend nach Material, Informationen und Anhaltspunkten, die mir ebendiese Epoche flüchtig zurückbringen.

Und hier macht Black Metal Media 1992 - 1994 auf beinahe naive Weise alles richtig. Da wir's hier mit reinen Fotokopien von Artikeln der norwegischen (Klatsch-) Presse zu tun haben, fällt das enge Ventil des interpretierenden Autoren weg. Was bleibt, ist einerseits der reine Ablauf, das Ausschlachten, die Empörung. Aber eben auch eine gewisse öffentliche Wahrheit in Norwegen zwischen 1992 und 1994.
Will man die ständigen Wiederholungen, das jeweilige Abschreiben von Bergensavisen zu Bergens Tidende und zurück lähmend finden, die vielen Mutmaßungen, das de facto Echauffieren für gackernswert halten, im zeitlichen Kontext ergeben sie Sinn. Und noch viel besser: Das Ganze liest sich wie ein verdammter Krimi! Wohlgemerkt, hier werden lediglich Zeitungsartikel aus dem Norwegischen grob ins Englische übertragen. Nichtsdestotrotz funktioniert dieses Konzept ganz fantastisch.

Was für Arbeit bei der Sammlung und Auswertung all dieser Zeitungsartikel vonnöten war, will ich mir gar nicht erst ausmalen wollen. Freilich habe ich ein paar Querbezüge vermisst (welche Person welcher Band war in Artikel soundso gemeint), aber das ist letztlich nur Korinthenkackerei. Black Metal Media 1992 - 1994 ist wohl das tauglichste Manifest des Trve Norwegian Black Metal, das bis dato zusammengetragen wurde. Die Musik spielt keine Rolle, hier geht es in Gänze um den Pfuhl, der die Musik hervorbrachte. Ein Geschichtsbuch für bittere Nostalgiker. Wohl aber kaum bereichernd für jene, die sich erdreisten, Black Metal als Konzept außerhalb seiner Entstehungsgeschichte beurteilen zu wollen, ohne eine gewisse Toleranz fürs ebenjene Böse der frühen 90er mitzubringen ...

Groß!