Take a photo of a barcode or cover
A review by kroppzeugvertilger
Black Metal: Evolution of the Cult by Dayal Patterson
4.0
Es ist so ein Schuh, über Black Metal zu schreiben oder gar nachzudenken. Eine Subkultur, die sich über den Punk stellt und offenbar ähnliche, retrospektive Vermarktungschancen besitzt, ist schwer zu durchdringen. Aus der Rebellion wurde ein Konstrukt und aus dem Konstrukt wurde ein marktrelevantes Konstrukt. Es ist, wahrhaftig, so ein Schuh ... Doch fangen wir dort an, wo ich beginnen durfte.
Anfang der 90er war ich Grundschüler und wurde - durch meine recht heroische Schwester - ohne großes "Ich muss erst nochmal Maiden hören"-Geseier zu dem gebracht, was man heuer Extreme Metal nennt. Damals hieß das noch Grindcore, Death, Thrash und eben Black Metal. Der guten Frau darf bis heute über alle Maßen für ihren nicht immer freiwilligen Einfluss gedankt werden. Das weiß sie auch, daher vermacht sie mir ihre Platten auch nich'. - Mit zumeist tapegetradeten Darkthrone, Samael und Dimmu Borgir war für mich die Sprungschanze ins BM-Nirvana quasi geebnet. Ein paar Monate später hing mein Zimmer voll mit Bildern von Musikern, die zweifelsfrei Satanisten waren, ich orderte die Satanische Bibel ohne Amazon aus den USA (oder war's doch Schweden? SSB anyone?), hatte die Ablaze-Ausgaben frisch aus dem Druckwerk ins Haus und ergaß mich selbst in allem, was dem damaligen Spirit entsprach ...
... und genau dort setzt "Black Metal - Evolution of the Cult" an. Wohlweislich. Denn in erster Linie baut diese durchaus überzeugende Quasi-Anthologie auf dem auf, was heuer (wiederum) Marktwert hat: Nostalgie. Es ist de facto schön, sich die längst bekannte und doch irgendwie nicht übersättigte Entstehungsgeschichte des Phänomens Black Metal auf erzählerische Weise einträufeln zu lassen. Dabei manipuliert Patterson weniger, als dass er inspiriert. Insbesondere die Grundmauern des musikalischen Konzepts BM weiß der gute Mann durchaus faszinierend zu umschreiben; eine Ahnung davon zu geben, wie es Ende der 80er wohl ausgesehen haben mag, egal ob Celtic Frost oder Mystifier. In Anbetracht der getriggerten Weichspülung heutiger Metal-Acts und/oder dem Verfall an totalitäre Underground-Stati, erscheinen damalige Kompositions- wie auch Produkionsverhältnisse beinahe absurd [eine Gruppe, die hiesig zum Glück ausgespart wurde]. Es bleibt, de facto, nur eine Schlussfolgerung übrig: Früher war alles jünger. Patterson, weiß um den historischen Wert der Legende namens Black Metal. Er tut somit vieles richtig: Als Konsorte, die erst relativ spät seine Wege zum BM fand, ist er stets gewiss, dem Subgenre in seiner Mystizität und vor allem musikhistorischen Unberechenbarkeit, nicht auf den authentischen Sack gehen zu müssen. Er hat Ehrfurcht vor einer Sache, die nicht erklärbar, die eigentlich religiöser Natur ist.
Mit der Absicht, genau dem zu widersprechen, indem er ein Buch über Black Metal schreibt, ist Patterson allerdings auch nur ein Dingelchen im Uhrwerk. BM selbst hat den Mainstream schon längst überschritten. Darüber zu schreiben, ist darob keine unbedingte Herausforderung mehr. Man denke nur einmal daran, dass der Hergang rund um den Mord an Euronymous alsbald verfilmt werden soll. - Weshalb wir trotzdem nach dem Alten suchen, liegt darin begründet, dass das unsterblich geglaubte, vertraute Alte längst verletzlich, manipulierbar geworden ist. Wir drängen danach, herauszufinden, wie entsetzlich schlimm es um unsere Jugend bestellt ist. Und wenn wir sie finden, ist sie nicht mehr ausreichend authentisch. Interessant genug, dass selbst die Hohepriester eines homogenen Kults heuer eher skeptisch auf ihre jungen Jahre als BM-Ikonen zurückblicken. Alle werden irgendwann groß. So ist denn auch die Quintessenz des wirklich gelungenen Buches selbst, eher diese, dass man sich als zynischer Futzi sehr, sehr wohlwollend in alte Zeiten zurückversetzen lassen will, der Youngster hingegen egoman durch die Kneipen randaliert, weil er sich einbildet, er hätte irgendwas verstanden, weil er Patterson gelesen hat. Black Metal eben: 90% große Schnauze.
Pattersons (schriftstellerisch gewissermaßen erzwungene) neutrale* Haltung dient dabei allerdings nur der Analyse der Subjekts BM. Objektiv bleibt alles beim Alten: Dass er in seinem Buch astreinen Nazis (e.g. Rob Darken) das Wort gibt, finde ich aus musikhistorischer Sicht (Stichwort: BM aus Polen) wichtig und richtig. Dass er sich aber um jede Kritik solch zweifelhafter Figuren herumwindet, hinterlässt keineswegs einen positiven Eindruck. Nicht nur, dass es schlicht und ergreifend endlich salonfähig sein sollte, Positionen zu vertreten. Wenn jemand wie Patterson, der sich höchste Mühe gibt, ein stets musikalisches wie auch politisches Phänomen wie BM ausgewogen zu beschreiben, läuft er nicht nur Gefahr, jungen Leuten Subgenres wie NSBM genießbar zu machen, er offenbart sich selbst als auf Zahlen gebauter Autor. *Neutralität ist insbesondere beim Thema Black Metal nicht mehr salonfähig. Auch wenn Patterson tendenziell linke Bands wie Wolves In The Throne Room kurz zu Wort kommen lässt. Die ausbleibende Stellungnahme ist und bleibt befremdlich bis peinlich.
Wir haben also ein Buch, das nichts bewegt, außer dem eigenen nostalgischen Ego. Sei's aber drum, dafür lohnt es sich allemal. Patterson schaffte es mit viel Arbeit, beinahe jede wichtige Nase im Dunstkreis des BM ans Telefon zu ziehen oder auf Festivals zu behelligen. Dafür gebührt ihm ganz gewiss Lob. "Black Metal - Evolution of a Cult" ist demnach eigentlich ein tolles Buch, welches Einsteigern und Althasen gleichermaßen perspektivische Interpretationsmöglichkeiten anbietet. Geschichtsbewusst und mit Respekt geht Patterson mit seinem komplexen Thema innerhalb des modernen Popkultur-Dilemmas um.
... dass er damit der wirtschaftlichen Entmystifizierung des Genres selbst zuarbeitet, ist ihm vielleicht sogar bewusst. Es täte dennoch nichts zur Sache. Alle Trveness ist tot. Selbst die großen Musiker dieser Tage können nichts daran ändern. Sie sind und bleiben Kopien und Kopisten einer Epoche, die einzigartig und unwiederholbar ist. Ihr Erbe ist zuweilen angenehm würzig, wenn mit ausreichend Ehrfurcht gereicht ...
Anfang der 90er war ich Grundschüler und wurde - durch meine recht heroische Schwester - ohne großes "Ich muss erst nochmal Maiden hören"-Geseier zu dem gebracht, was man heuer Extreme Metal nennt. Damals hieß das noch Grindcore, Death, Thrash und eben Black Metal. Der guten Frau darf bis heute über alle Maßen für ihren nicht immer freiwilligen Einfluss gedankt werden. Das weiß sie auch, daher vermacht sie mir ihre Platten auch nich'. - Mit zumeist tapegetradeten Darkthrone, Samael und Dimmu Borgir war für mich die Sprungschanze ins BM-Nirvana quasi geebnet. Ein paar Monate später hing mein Zimmer voll mit Bildern von Musikern, die zweifelsfrei Satanisten waren, ich orderte die Satanische Bibel ohne Amazon aus den USA (oder war's doch Schweden? SSB anyone?), hatte die Ablaze-Ausgaben frisch aus dem Druckwerk ins Haus und ergaß mich selbst in allem, was dem damaligen Spirit entsprach ...
... und genau dort setzt "Black Metal - Evolution of the Cult" an. Wohlweislich. Denn in erster Linie baut diese durchaus überzeugende Quasi-Anthologie auf dem auf, was heuer (wiederum) Marktwert hat: Nostalgie. Es ist de facto schön, sich die längst bekannte und doch irgendwie nicht übersättigte Entstehungsgeschichte des Phänomens Black Metal auf erzählerische Weise einträufeln zu lassen. Dabei manipuliert Patterson weniger, als dass er inspiriert. Insbesondere die Grundmauern des musikalischen Konzepts BM weiß der gute Mann durchaus faszinierend zu umschreiben; eine Ahnung davon zu geben, wie es Ende der 80er wohl ausgesehen haben mag, egal ob Celtic Frost oder Mystifier. In Anbetracht der getriggerten Weichspülung heutiger Metal-Acts und/oder dem Verfall an totalitäre Underground-Stati, erscheinen damalige Kompositions- wie auch Produkionsverhältnisse beinahe absurd [eine Gruppe, die hiesig zum Glück ausgespart wurde]. Es bleibt, de facto, nur eine Schlussfolgerung übrig: Früher war alles jünger. Patterson, weiß um den historischen Wert der Legende namens Black Metal. Er tut somit vieles richtig: Als Konsorte, die erst relativ spät seine Wege zum BM fand, ist er stets gewiss, dem Subgenre in seiner Mystizität und vor allem musikhistorischen Unberechenbarkeit, nicht auf den authentischen Sack gehen zu müssen. Er hat Ehrfurcht vor einer Sache, die nicht erklärbar, die eigentlich religiöser Natur ist.
Mit der Absicht, genau dem zu widersprechen, indem er ein Buch über Black Metal schreibt, ist Patterson allerdings auch nur ein Dingelchen im Uhrwerk. BM selbst hat den Mainstream schon längst überschritten. Darüber zu schreiben, ist darob keine unbedingte Herausforderung mehr. Man denke nur einmal daran, dass der Hergang rund um den Mord an Euronymous alsbald verfilmt werden soll. - Weshalb wir trotzdem nach dem Alten suchen, liegt darin begründet, dass das unsterblich geglaubte, vertraute Alte längst verletzlich, manipulierbar geworden ist. Wir drängen danach, herauszufinden, wie entsetzlich schlimm es um unsere Jugend bestellt ist. Und wenn wir sie finden, ist sie nicht mehr ausreichend authentisch. Interessant genug, dass selbst die Hohepriester eines homogenen Kults heuer eher skeptisch auf ihre jungen Jahre als BM-Ikonen zurückblicken. Alle werden irgendwann groß. So ist denn auch die Quintessenz des wirklich gelungenen Buches selbst, eher diese, dass man sich als zynischer Futzi sehr, sehr wohlwollend in alte Zeiten zurückversetzen lassen will, der Youngster hingegen egoman durch die Kneipen randaliert, weil er sich einbildet, er hätte irgendwas verstanden, weil er Patterson gelesen hat. Black Metal eben: 90% große Schnauze.
Pattersons (schriftstellerisch gewissermaßen erzwungene) neutrale* Haltung dient dabei allerdings nur der Analyse der Subjekts BM. Objektiv bleibt alles beim Alten: Dass er in seinem Buch astreinen Nazis (e.g. Rob Darken) das Wort gibt, finde ich aus musikhistorischer Sicht (Stichwort: BM aus Polen) wichtig und richtig. Dass er sich aber um jede Kritik solch zweifelhafter Figuren herumwindet, hinterlässt keineswegs einen positiven Eindruck. Nicht nur, dass es schlicht und ergreifend endlich salonfähig sein sollte, Positionen zu vertreten. Wenn jemand wie Patterson, der sich höchste Mühe gibt, ein stets musikalisches wie auch politisches Phänomen wie BM ausgewogen zu beschreiben, läuft er nicht nur Gefahr, jungen Leuten Subgenres wie NSBM genießbar zu machen, er offenbart sich selbst als auf Zahlen gebauter Autor. *Neutralität ist insbesondere beim Thema Black Metal nicht mehr salonfähig. Auch wenn Patterson tendenziell linke Bands wie Wolves In The Throne Room kurz zu Wort kommen lässt. Die ausbleibende Stellungnahme ist und bleibt befremdlich bis peinlich.
Wir haben also ein Buch, das nichts bewegt, außer dem eigenen nostalgischen Ego. Sei's aber drum, dafür lohnt es sich allemal. Patterson schaffte es mit viel Arbeit, beinahe jede wichtige Nase im Dunstkreis des BM ans Telefon zu ziehen oder auf Festivals zu behelligen. Dafür gebührt ihm ganz gewiss Lob. "Black Metal - Evolution of a Cult" ist demnach eigentlich ein tolles Buch, welches Einsteigern und Althasen gleichermaßen perspektivische Interpretationsmöglichkeiten anbietet. Geschichtsbewusst und mit Respekt geht Patterson mit seinem komplexen Thema innerhalb des modernen Popkultur-Dilemmas um.
... dass er damit der wirtschaftlichen Entmystifizierung des Genres selbst zuarbeitet, ist ihm vielleicht sogar bewusst. Es täte dennoch nichts zur Sache. Alle Trveness ist tot. Selbst die großen Musiker dieser Tage können nichts daran ändern. Sie sind und bleiben Kopien und Kopisten einer Epoche, die einzigartig und unwiederholbar ist. Ihr Erbe ist zuweilen angenehm würzig, wenn mit ausreichend Ehrfurcht gereicht ...