A review by kroppzeugvertilger
Ishmael by Daniel Quinn

3.0

Selten lässt mich ein Buch derart zwiegespalten zurück.

Quinn's Erzählung vom Gorilla Ishmael, der einem namenlosen Schüler per Telepathie zu erklären versucht, how to save the world, ist in vielen Punkten unglaublich gut, enorm inspirierend und zudem überaus gut geschrieben.

Meine (sehr) persönlichen Kritikpunkte lassen sich jedoch gar nicht so gut umschreiben, ohne dabei den philosophischen Kern des Stückes - und das ist es wohl in erster Linie: ein populärphilosophischer Roman - detailliert auszuklamüsern und somit die eigentliche Message Ishmaels zu spoilern. An dieser Stelle nur so viel (und später mehr): Quinn ist als Aktivist ein Vertreter des Primitivismus. Entsprechend lobt sein instrumentalisierter Romangorilla, Ishmael, die menschliche Gesellschaft, bevor sie in diejenige überging, welche wir heuer als zivilisiert verstehen, also unsere eigene. Das klingt alles durchaus interessant und ist es auch. Das theoretische Fundament Quinn's, welches im steten (telepathischen) Dialog zwischen Ishmael und seinem Schüler aufgeblättert wird, sollte tatsächlich als Motivation verstanden werden, den eigenen Blick auf die Welt und ihre Zerstörer (sprich: uns) zu ändern.

Dennoch leidet Ishmael am eigenen heilsbringerischen Anspruch. Die Re-Interpretation der biblischen Genesis oder verschiedenster Umstände der Völkerwanderung bleibt am Ende, was sie ist, nämlich eine Interpretation. Um Quinn zu attestieren, er hätte Recht, gehört auch hier, wie immer, eine Menge Glaube dazu.
Die Selbstgewissheit die einzige Lösung zur Weltenrettung zu transportieren, macht die eigentliche Idee ablehnend gegenüber anderen Wahrheiten und Lösungen. Die eigentliche Kernbotschaft, der Mensch als evolutionstheoretisch komplexestes (sprich, am weitesten entwickeltste) Lebewesen müsse sich in Mutter Natur's (oder im Buch etwas schwülstiger "the gods" genannt) Schoß zurückbegeben und mit seiner ihn umfassenden Umwelt leben, anstatt gegen sie, indem er sie ausbeutet, zerstört, mordet, wird sozusagen ausgehebelt.

Hinzu kommen verschiedene kleinere Aspekte, die eigenartig bis verdächtig sind. Zwei Beispiele:

- Zur "zivilisierten" Gesellschaft gehört auch die Etablierung von Religion(en). Religionskritik findet jedoch keine statt, im Gegenteil wird, wie obig bereits angedeutet, von den Göttern oder gar von göttlichen Absichten gesprochen. Da geht mir persönlich Quinn als selbsternannter Kulturkritiker nicht weit genug (friedfertig formuliert).
- Das Wort Kapitalismus fällt nicht ein einziges Mal. Der Begriff Marxismus hingegen schon. Von letzterem befreite sich nämlich die Bevölkerung der ehemaligen Sowjetunion laut Ishamel/Quinn. Mal abgesehen davon, dass hier mal wieder, ganz ur-us-amerikanisch, das tote Pferd des Russen geritten wird, ist's nicht ganz korrekt, zu behaupten, die sowjetische Bevölkerung hätte den philosophischen Marxismus bewusst überwunden, und nicht den stalinistisch geprägten russischen Faschismus.

Ishmael haftet also ein zweifelhafter Propagandadunst an. Niemand kann beweisen, dass meine Message die Welt rettet, aber ich weiß es und ihr sollt mir glauben .

Das klingt freilich alles unverhältnismäßig vernichtend, leider. Denn Ishmael ist in der Tat ein ausgenommen inspirierendes Stück Literatur, dass es schafft, den eigenen gesellschaftspolitischen Horizont zu erweitern. Ob es jedoch zu dem Leitfaden avancieren sollte, für welchen Quinn es gerne halten möchte, dem stehe ich äußerst kritisch gegenüber. In hiesigem Fall entscheidet nicht der Geschmack, sondern tatsächlich, was jeder Einzelne aus diesem interessanten Roman mitnehmen kann.